Der 105. Deutsche Röntgenkongress steht unter dem Motto „Radiologie in Transformation“ und ist am 1. März 2024 mit seiner digitalen Programmstrecke gestartet. Der Kongress in Präsenz findet vom 08. bis zum 10. Mai 2024 in Wiesbaden statt. Es ist zugleich der 10. Gemeinsame Kongress der Deutschen Röntgengesellschaft und der Österreichischen Röntgengesellschaft. Der Kongress bietet ein umfangreiches Programm, das sich auf die Herausforderungen und Chancen des Einsatzes von KI in Radiologie und Medizin fokussiert und darüber hinaus weitere relevante Fortbildungs-, Wissenschafts- und berufspolitische Themen aufgreift. Dem Kongress stehen Prof. Dr. med. Johannes Wessling aus Münster und Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Helbich aus Wien als Präsidenten vor.

Warum haben Sie für den Kongress das Motto „Radiologie in Transformation“ gewählt?

Professor Wessling: Der diesjährige Kongress findet in disruptiven Zeiten statt. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Chat GPT, Retrieval Augmented Generation (RAG) faszinieren und fordern uns. Dazu kommen gesellschaftliche Veränderungen mit Generation Z, Fachkräftemangel, remote work, die einen neuen Blick auf das Arbeiten von morgen erforderlich machen werden. In der Gesundheitspolitik rütteln Krankenhausreform und Ambulantisierung an den Gesundheitsstrukturen in Deutschland. Mit unserem Motto greifen wir diese Entwicklungen auf und machen klar: Wir befinden uns in einer Zeitenwende, die Radiologie hat als digitaler Vorreiter in der Medizin bereits begonnen, diesen Veränderungsprozess aktiv zu gestalten. Dabei geht es uns primär nicht allein um digitale Technik und KI, sondern vielmehr um strukturelle Veränderungen, die mit ihr für unser Fach und die Medizin einhergehen.

Professor Helbich: Wir haben drei Wegmarken Information, Kommunikation, Präzision definiert. Sie beschreiben relevante Entwicklungsbereiche der Radiologie, hin zu einer neuen Radiologie, die viel mehr ist als eine rein bildfokussierte medizinische Fachdisziplin. Der Kongress wird Ihnen die Möglichkeit geben herauszufinden, welche dieser Wegmarken bereits in der Radiologie bereits angekommen ist.

Könnten Sie uns diese drei Wegmarken näher beschreiben?

Professor Wessling: Ja, gern. Die Radiologie löst sich immer mehr von der rein visuellen Bildbetrachtung. Eine zunehmend präzisere Bildgebung erlaubt uns, das nicht offensichtlich Erkennbare im Bild sichtbar zu machen und damit immer besser durch das Bild hindurchzuschauen. Wir werden mehr und mehr zu Informations- und Datenexpertinnen und -experten, die mithilfe computerbasierter Algorithmen die versteckten Informationen im Bild identifizieren und systematisch mit Daten aus der Molekulargenetik, der Labormedizin und der Klinik abgleichen. Die Radiologie ebnet damit den Weg hin zu einer personalisierten Präzisionsmedizin. Bild-, Informations-, und Datenexpertise wird dabei die Radiologie von der reinen Diagnostik immer weiter in Richtung Therapieplanung und Patientenmanagement weiterentwickeln und transformieren.

Professor Helbich: Aus dem Mehr an Informationen leitet sich ein Mehr an Kommunikation ab. Wir sprechen gern von der „Marktplatz-Radiologie“ und meinen damit: In einer „sprechenden“ Radiologie ist Kommunikation mit Patientinnen und Patienten sowie Kolleginnen und Kollegen anderer Fachdisziplinen eines unserer täglichen Hauptinstrumente. Wir sind dabei Lotsinnen und Lotsen, die Behandlungsprozesse vernetzen, moderieren und auf Basis von medizinischem Querschnittswissens beraten und koordinieren. Die Kommunikation nimmt mehr Raum ein, weil die KI hilft und auch künftig helfen wird, die Arbeitsbelastung stark zu senken. So werden etwa unauffällige Befunde präzise aussortiert werden, unsere Zeit nutzen wir für die schwierigen Fälle.

Und die Präzision?

Professor Wessling: Präzision im Zeitalter der KI ist ein Schlüsselaspekt einer modernen und leistungsfähigen Radiologie und bietet großartige Entwicklungschancen. Selbstverständlich sind aber auch andere Faktoren bedeutsam: Eine qualifizierende Aus- und Fortbildung, die systematisch Aspekte der Subspezialisierung ins Visier nimmt oder aber Formen einer verstärkt multidisziplinären und organbezogenen Zusammenarbeit. Fernab des allgemeinen Fachkräftemangels oder möglicher Remote-Control-Lösungen müssen wir auch über zukünftige Organisations- und Prozessformen der radiologischen Arbeit sprechen. Der Blick löst sich vom Bild und wendet sich dabei verstärkt unseren Patienten zu. Die richtige Bildgebung und Therapie zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Patienten. Wir stehen hier in Verantwortung, die Prozesse rund um unsere Patienten und im Sinne von Qualität, Effizienz und Sicherheit optimal zu gestalten.

Wie spiegeln sich dies im Kongressprogramm wider oder anders gefragt: Was erwartet die Teilnehmenden?

Professor Helbich: Die digitale Strecke des Kongresses, der RÖKO DIGITAL, hat am 1. März begonnen und findet bis zum 22. Juni 2024 statt. Hierbei erwartet die Teilnehmenden radiologische Fortbildung in ihrer ganzen Vielfalt. Wir bieten in diesem flexiblen Online-Format immer mittwochs, donnerstags und samstags aktuelles radiologisches Wissen. Wer Sessions verpasst, kann sich die Aufzeichnungen der Veranstaltungen im Nachgang auf der digitalen Lernplattform conrad der Deutschen Röntgengesellschaft ansehen.

Professor Wessling: Der RÖKO WIESBADEN findet über Christi Himmelfahrt vom 8. bis zum 10. Mai 2024 an unserem „traditionellen“ Veranstaltungsort, dem Wiesbadener RheinMain CongressCenter, statt. Hier werden wir die „hot topics“ entlang unseres Kongressmottos diskutieren. Neben wissenschaftlichen Sitzungen erwarten die Teilnehmenden viele interaktive Veranstaltungen und Dialog-Formate zu hochaktuellen Themen, darunter auch unterhaltsames Edutainment – Stichwort Jeopardy. Darüber hinaus gibt eine umfangreiche Industrie-Ausstellung Einblicke in neue Entwicklungen und Techniken.

Zu den Personen

Prof. Dr. med. Johannes Wessling ist Chefarzt und Leiter des Zentrums für Radiologie am Clemenshospital in Münster und u.a. Vorstandsmitglied der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der DRG-Arbeitsgemeinschaften Gastro- und Abdominaldiagnostik sowie Gesundheitspolitische Verantwortung (AG GPV).

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Helbich, MSc, MBA, ist stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin in Wien sowie u.a. Vorstandsmitglied der European Society of Molecular and Functional Imaging in Radiology (ESMOFIR) und der European Society of Breast Imaging (EUSOBI).

Univ.-Prof. Dr. Thomas Helbich und Prof. Dr. Johannes Wessling, Kongresspräsidenten des 105. Deutschen Röntgenkongresses und des 10. Gemeinsamen Kongresses der DRG und der ÖRG.

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