Sehr geehrter ÖRG-Präsident, lieber Martin! Du hast in Deiner Antrittsansprache ein sehr persönliches Bild von Dir gezeichnet. Könntest Du auch für unsere Leser nochmals skizzieren, was Deine Motivation für dieses Amt war, und wie Dein Weg dorthin verlaufen ist?
Nach 30 Jahren, die ich mit Unterbrechungen in verschiedenen Funktionen in unserer Gesellschaft tätig sein durfte, habe ich die Funktion des Präsidenten, die mir 2022 angeboten wurde, gerne und dankbar angenommen. Es ist für mich eine besondere Ehre, diese besonders verantwortungsvolle Funktion für die nächsten 2 Jahre auszufüllen, wenn man bedenkt, wie viele illustre und hochgeschätzte Persönlichkeiten der österreichischen Radiologie meine Vorgänger*innen waren.
Nach meinem Studium an der Karl-Franzens-Universität Graz, damals hat es ja noch keine eigene MedUni gegeben, habe ich einmal 2 Jahre als Volontär an der Univ. Klinik für Anästhesiologie und am Institut für Pathologie Graz gearbeitet, bevor ich in die Turnusausbildung gekommen bin. Während meiner Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin hatte ich immer wieder Kontakt mit der Radiologie, leider immer durch „fachfremde“ Fächer, wie Chirurgie, Unfallchirurgie, oder Innere Medizin, die den Radiolog*innen damals oft unterstellt haben, sich „hinter ihren Bildern“ zu verstecken, um dem direkten Patientenkontakt auszuweichen. Jedenfalls habe ich durch einen glücklichen Umstand 1992 mit meiner Facharztausbildung in Graz bei Prof. Schreyer begonnen und habe 1994 auf Empfehlung von Prof. Fotter, sehr früh die Funktion des Schriftführers im Vorstand der ÖRG übernehmen dürfen. Nach Stationen als AG-Leiter, Leiter der Akademie, und incoming Präsident stehe ich jetzt da bei dir (lacht).
Du hast auch sehr klar in die Zukunft geblickt. Du hast schwierige standespolitische Aufgaben zu bewältigen. Wie siehst Du da die zukünftige Entwicklung?
Jede Zeit hat ihre eigenen spezifischen Herausforderungen. Tatsächlich hat sich heute das Bild des Arztes und der Ärztin – und wir Radiolog*innen sind klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte – in den letzten Jahren deutlich verändert. Wir haben in der Gesundheitsversorgung heute viel mehr „Mitspieler“, mit denen wir eine gedeihliche Zusammenarbeit pflegen sollen, ohne unsere standespolitische Berechtigung und unsere Kern-Kompetenzen einzuschränken. Außerdem habe ich zunehmend die Sorge, dass der Gesundheitsbereich im tagespolitischen „Sumpf versinkt“. Rationale und fundierte Argumente dürfen nicht populären politischen Maßnahmen weichen müssen. Oder diese Argumente werden einfach nicht gehört! Wenn wir uns z.B. den aktuellen Strukturplan Gesundheit ansehen, müssen wir leider feststellen, dass seit Jahren unsere penibel aufgelisteten Argumente nicht berücksichtigt werden. Wichtige Stakeholder in unserem Land wollen leider (noch) nicht verstehen, welche Bedeutung die Radiologie für eine integrierte medizinische Versorgung, insbesondere im intramuralen Bereich, hat. Da ist weiter noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten!
Wesentlich leichter oder zumindest angenehmer dürften sich wohl die medizinischen fachlichen Prozesse gestalten. Wo siehst Du da die Entwicklung hingehen ?
Mein besonderes Augenmerk liegt, ich habe es in meiner Antrittsrede auch klar so gesagt, auf drei, existenziell für unser Fach wichtige, Themen. Es sind dies erstens, die Wahrung der Integrität des Faches Radiologie unter gleichzeitiger Weiterentwicklung ihrer verschiedenen Bereiche, wie, um nur ein Beispiel zu nennen, der interventionellen Radiologie. Zweitens die Vermehrung des „radiologischen“ Nachwuchses, der ein wichtiger Schlüssel für eine zukunftssichere, starke und allseitig akzeptierte Radiologie ist und drittens der strukturierte und angstbefreite Umgang mit der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz.
Welche Inputs möchtest Du auf wissenschaftlicher Basis in Deiner Präsidentschaft geben?
Um ein paar zu nennen: Weiterer Einbau der Radiologie in wissenschaftlich begleitete Screening- und Früherkennungsprogramme gemeinsam mit unseren Partnern in den mitbetroffenen medizinischen Sonderfächern. Förderung und Motivation junger Radiolog*innen für Ausbildungsrotationen und für wissenschaftliche Tätigkeit. Förderung der wissenschaftlichen Begleitung von Maßnahmen zu Digitalisierung, KI, Teleradiologie und Telearbeit.
Du bist ja der Macher des Fit für den Facharzt -Projektes und Begleiter unserer jungen Ausbildungsärzte. Wie möchtest Du in Zukunft junge Menschen für die Radiologie begeistern? Wie siehst Du deren Positionen in der nächsten Generation von Radiologen?
Ich glaube, das ist die schönste und wichtigste Aufgabe! Ich selbst bin zufällig zur Radiologie gekommen, musste 5 Jahre auf eine Ausbildungsstelle warten und bereue es bis heute keine einzige Sekunde. Radiologie ist definitiv das coolste Fach! In den Zeiten des Baby-Booms hatte das Fach aber auch keine Nachwuchssorgen. Das ist heute komplett anders! Wir müssen schon den Studierenden und den jungen Ärztinnen und Ärzten zeigen, dass unser Fach umfassend und klinisch ist, Raum für eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten und Kompetenzen bietet, eine enorme Dynamik und riesiges Entwicklungspotenzial hat und darüber hinaus familienfreundlich ist und eine sehr gute work-life balance bieten kann. Und wir müssen alle jene, die glauben, dass Radiologie keine Zukunft hat, überzeugen, dass künstliche Intelligenz nicht unser Gegner ist, sondern die Radiologie diese jetzt und in Zukunft als unseren unabdingbar notwendigen „Gehilfen“ und Partner braucht.
Vielen Dank für das Gespräch