Mit 30.09.2023 ist Univ.-Prof. Dr. Christian Herold im Alter von 68 Jahren nach 15 Jahren als Leiter Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, und nach 26 Jahren als Leiter der Abteilung für Allgemeine und Kinderradiologie der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien zurückgetreten. Mit diesem Schritt endete zweifellos eine große Ära in der Geschichte der Radiologie unseres Landes.
Dass Christian Herold national und international große Bekanntheit und hohes Ansehen genoss und genießt, und entsprechend die Sichtbarkeit und den hervorragenden Ruf nicht nur „seiner“ Klinik, sondern der österreichischen Radiologie in ihrer Gesamtheit in Europa und global wesentlich geprägt hat, weiß vermutlich jedes Mitglied der ÖRG.
Doch wie sich die Karriere dieser schillernden Persönlichkeit, die seit 40 Jahren ein hochaktives Mitglied der ÖRG ist, entwickelt hat, und was die entscheidenden Stationen seines Werdegangs und Wirkens waren, dürfte vielleicht weniger bekannt sein.
Nach seiner Matura 1973 (BRG Wien 21, Franklinstraße) und Abschluss seines Medizinstudiums an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Jahr 1979 absolvierte er sowohl eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner im Krankenhaus Mistelbach bzw. dem Wiener Heeresspital (ius practicandi 1984) als auch eine Ausbildung zum Facharzt für Radiologie an der Röntgenabteilung der I. Medizinischen Univ.-Klinik und Zentralröntgen, AKH Wien (Facharztdiplom 1989).
Nach diesem noch relativ „konventionellen“ Karrierestart folgte nun der für die damalige Zeit doch außergewöhnliche erste Forschungsaufenthalt in den USA. Christian Herold absolvierte ein Radiologie-Fellowship an der renommierten Johns Hopkins University in Baltimore (bis 1991), im Zuge dessen er seine ersten großen wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte, und welches die Basis für sein späteres umfangreiches internationales Netzwerk darstellte.
Ein Blick auf seine Publikationen aus dieser Zeit offenbart einen ebenfalls für die damalige Zeit ungewöhnlichen Zugang zur Radiologie – weg von der puren anatomisch-deskriptiven Diagnostik hin zur Korrelation zwischen Bildgebung und Physiologie. Zwei der „Pionierarbeiten“ aus dieser Zeit, publiziert 1991 und 1992 im Top-Journal Radiology, befassten sich etwa mit bronchialer Hyperreaktivität und ihrer Erfassung mittels HRCT, sowie den Effekten von kardiovaskulärer Volumenbelastung und Hypoxie auf die in der HRCT sichtbare Parenchymdichte.
Für letztere Arbeit wurde ihm auch der prestigeträchtige Hounsfield-Preis zugesprochen. Auch über die MRT der Lunge zur Unterscheidung von obstruktiven und non-obstruktiven Atelektase publizierte er zu dieser Zeit in Radiology. Geprägt durch diese Forschungstätigkeit in den USA blieben Lungenerkrankungen auch für den Rest seiner Karriere sein klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt, wie auch an seinen mittlerweile über 220 Publikationen in Journalen mit peer review leicht erkennbar ist.
1992 kehrte Christian Herold schließlich nach Wien zurück, um –im zarten Alter von 37 Jahren– zuerst interimistisch, und nach seiner Habilitation 1993 und Verleihung einer ordentlichen Professur ab 1997 schließlich definitiv die Leitung der Abteilung für Radiologie für konservative Fächer zu übernehmen, die später im Zuge einer von ihm vorgenommenen Reorganisation vergrößert und zur Abteilung für Allgemeine und Kinderradiologie wurde. Ab 2008 fungierte er als Leiter der heutigen Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, und seit 2016 auch als stellvertretender medizinischer Direktor des AKH Wien.
Meilensteine seiner Tätigkeiten waren die Umstrukturierung der von vormals fünf auf die heutigen drei radiologischen Abteilungen, die Anbindung des Exzellenzzentrums für Hochfeld-MR an die Klinik, die Fusion zwischen den Fächern Radiologie und Nuklearmedizin nach US-Vorbild, sowie die Einrichtung von separaten Forschungsabteilungen für prä-klinische Bildgebung einerseits und Computational Imaging andererseits. Vor allem durch die Einrichtung letzterer Abteilung, deren Fokus maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sind, erwies sich Christian Herold einmal mehr als Visionär und internationaler Trendsetter.
Die von ihm vorgegebenen Forschungsschwerpunkte der Klinik fanden auch in vielbeachteten internationalen Rankings ihren Niederschlag. Am deutlichsten sichtbar sind Performance und Ruf der Wiener Universitätsklinik im aktuellen U.S. News Ranking, in dem sie im Bereich „Radiologie und Nuklearmedizin“ weltweit auf Rang 20 –und damit unter anderem vor Spitzeninstitutionen wie der Duke University und der UCLA (beide Rang 25), sowie der University of Cambridge (Rang 31) und der Columbia University (Rang 37)– liegt.
Sein internationales Netzwerk konnte Christian Herold durch seine diversen wissenschaftlichen, organisatorischen, sowie gesellschaftlichen Aktivitäten im Laufe der Jahre immer weiter ausdehnen und stärken. So war er –als einer der ersten Europäer überhaupt– von 1999-2003 Associate Editor von Radiology (unter dem damaligen Editor Stanley Siegelman), dem wissenschaftlichen Hauptorgan der Radiological Society of North America (RSNA), sowie als Folge dieser Tätigkeit von 2006-2009 auch Vorsitzender des International Relations Committee der RSNA. Seit 2002 ist er zudem Teilzeit-Fakultätsmitglied der Johns Hopkins Universität in Baltimore, und er übernahm im Lauf der Jahre auch zahlreiche Gastprofessuren an einigen der führenden medizinischen Zentren Europas und den USA, beispielsweise an der University of Cambridge (1996), der Stanford University (2003, 2004, und 2009), der Mayo Clinic (2005), der Cornell University (2005), am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (2005), sowie am MD Anderson Cancer Center (2014).
Auch in einer Vielzahl prestigeträchtiger internationaler Gesellschaften nahm Christian Herold Führungsrollen ein, unter anderem in der European Society of Thoracic Imaging (ESTI, Präsident 1999-2000), der Fleischner Society (Präsident 2005-2006), der International Society for Strategic Studies in Radiology (IS3R, Präsident 2009-2011), sowie der European Society of Radiology (ESR, Präsident 2009-2010), an deren Gründung er maßgeblich beteiligt war und die auch einer der Hauptgründe für seine Rückkehr aus den USA war. Auf nationaler Ebene besonders hervorzuheben ist natürlich auch seine ÖRG Präsidentschaft 2016-2018. Die vermutlich höchsten Auszeichnungen von Christian Herold stellen seine Aufnahme in die National Academy of Medicine der USA (2014) und in die European Academy of Sciences and Arts (2016) dar.
Mit Christian Herolds Emeritierung hat sich ohne Zweifel eine der großen Führungspersönlichkeiten der österreichischen und europäischen Radiologie aus dem klinischen Tagesgeschäft zurückgezogen. Er hinterlässt seiner Nachfolgerin, Frau Univ.-Prof. Dr. Ulrike Attenberger, die mit Juli 2024 die Leitung der Abteilung für Allgemeine und Kinderradiologie übernommen hat, ein leistungsstarkes, motiviertes, und international bestens vernetztes Team. Als einer seiner langjährigen Mitarbeiter und Schüler möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei Christian Herold bedanken – ohne seinen inspirierenden Führungsstil, sein Mentoring, und seine klinikinterne sowie internationale Förderung wäre meine eigene Karriere vermutlich anders verlaufen.
Trotz seiner Emeritierung bleibt es mir allerdings verwehrt, ihm eine ruhige Pension wünschen zu können, denn Christian Herold hat mit 01.10.2023 die Geschäftsführung der Medical University of Vienna International (MUVI), die sich dem Aufbau von Krankenanstalten rund um den Globus widmet, übernommen. Zudem ist er auch weiterhin (seit 2019) Mitglied des Wiener Landessanitätsrates. Für diese Tätigkeiten, der er zweifellos noch viele Jahre mit Begeisterung, Elan, und dem für ihn charakteristischen Charme nachkommen wird, wünschen seine ehemaligen Klinikmitarbeiter und ich ihm alles Gute, und weiterhin viel Erfolg!
Marius E. Mayerhöfer, MD, PhD
Professor of Radiology, Department of Radiology
New York University (NYU) Grossman School of Medicine