Holzknecht Lecture 2022
von Klaus Hausegger

Die sogenannte „Interventionelle Onkologie“ ist zu einem integrativen Bestandteil onkologischer Behandlungskonzepte geworden. Unter diesem Begriff werden bildgebungsgestützte Verfahren, die zur lokoregionären Behandlung unterschiedlicher Tumore zur Anwendung kommen verstanden.

Obwohl die Grundprinzipien  der Interventionellen Onkologie  seit langem bekannt sind und über Jahre ständig weiterentwickelt wurden, erfolgte die klinische Akzeptanz zögerlich. Gut dokumentierte Studien haben aber in letzter Zeit zur vermehrten Aufnahme Interventionell radiologischer Verfahren in entsprechende Behandlungsrichtlinien und Therapiekonzepte gefunden.

Das Prinzip der Tumorembolisation, und hier besonders des hepatozellulären Karzinoms (HCC), wurde schon früh in Form der transarteriellen Chemoembolisation (TACE) angewandt (Abb.1a-c). Diverse randomisierte Studien und daraus resultierende   Metaanalysen haben den Stellenwert der TACE zur palliativen Behandlung von HCC´s im intermediären Stadium belegt. Bei der traditionellen TACE (cTACE) erfolgt die Tumorembolisation mit einer Emulsion aus dem öligen Kontrastmittel Lipiodol und einem Chemotherapeuticum, das zumeist anthracyklinbasiert ist (zB. Famorubicin). Lipiodol fungiert dabei als Trägersubstanz für eine cytostatisch wirkende Substanz – Träger und Zytostatikum liegen neben einander in der Emulsion.

Mit der Einführung sogenannter „Drug Eluting Microsphäres“  (DEM) wurde die Chemoembolisation weiterentwickelt. Die dabei verwendeten Partikel können mit diversen cytostatisch wirksamen Substanzen (zumeist ebenso wie bei der cTACE antrazyclinbasiert) beladen werden. Das Zytostatikum wird dabei nicht in einer Emulsion vor, sondern mit den Mikrosphären direkt transportiert (Abb.2a,b). Dadurch soll zum Einem die Medikamentenabgabe an den Tumor protrahierter über einen längeren Zeitraum erfolgen, und andererseits unerwünschte systemische Effekte der zytostatisch wirksamen Substanz vermindert werden. In der klinischen Anwendung hat sich gezeigt, dass die TACE mit DEM  eine niedrigere Nebenwirkungsrate hat,  eine höhere Effektivität in onkologischen Sinn lässt sich jedoch nicht durchgängig nachweisen.

Bei der transarteriellen Radioembolisation (TARE) werden Partikel, die mit Radioisotopen beladen sind transarteriell verabreicht. Als Radioisotope kommen dabei derzeit der reine Beta-Strahler Ytrium-90 und Holmium 166, ein überwiegender Beta-Emitter mit zusätzlicher Gamma- Komponente zur Anwendung. Durch selektive und superselektive Applikation des Radionuklids können hohe tumorzide Strahlendosen (150 Gy und eventuell ein Vielfaches) erreicht werden, was zu einer effektiven Radionekrose des bestrahlen Gewebsvolumen führt. Die TARE kommt derzeit praktisch ausschließlich bei der Behandlung sowohl von primärer und  sekundärer Lebertumore zur Anwendung.

Alternativ zu den transarteriellen Verfahren der Tumorembolisation (cTACE, DEB-TACE) haben sich thermische Ablationsverfahren, die typischerweise perkutan mit unterschiedliche Sonden durchgeführt werden, etabliert. Die Radiofrequenzablation (RFA) ist das am längsten angewandte Verfahren. Dabei wird mittels Hochfrequenzstrom das Zielgewebe (also ein Tumor) auf bis zu 100°C erhitzt und so thermisch zerstört (Abb.3). Das gleiche thermische Wirkprinzip liegt der Mikrowellenablation zugrunde, nur dass dabei die Gewebserhitzung durch die Applikation von Mikrowellenenergie erfolgt. Beide thermische Ablationsverfahren sind grundsätzlich durch die Größe des Gewebsareal, das durch eine Sonde effektiv zerstört werden kann, und das ist eine ovoide Struktur von etwa 3 cm im maximalen Durchmesser, limitiert.  Außerdem wirken Blutgefäße im Ablationsareal als „Kühlelemente“, wodurch die Ausdehnung des Ablationsareal weiter vergrößert werden kann. Die Kombination von multiplen Sonden ermöglicht die Ablation größerer Areale – in der Leber zum Beispiel von ganzen Segmenten.

Die Cryoablation arbeitet mit Kälte – bei diesen Verfahren wird der Tumor eingefroren. Auch hier können mit einer einzelnen Sonde nur relativ kleine Areale erfasst werden. Wiederum ermöglicht die Kombination mehrerer Sonden die Ablation größerer Gewebsanteile. Der Vorteil der Kryotherapie liegt in der guten CT-kontrollierten  Steuerbarkeit der Ablation, wobei der   sogenannte „Eisball“, also das eingefrorene Gewebe, im CT und auch Ultraschall gut sichtbar ist. Durch intraprozedurale Kontrollscans kann die Ausbreitung des Eisballes gut verfolgt werden und auch exakt gesteuert werden (Abb.4). Zeigt sich, dass kritische Strukturen (Darm, Gallenwege, Nerven) erreicht werden, kann die Kryoablation gestoppt werden.

Ein relativ neues perkutanes Ablationsverfahren Verfahren ist die irreversible Elektroporation (IRE). Durch Applikation von sehr hohen Spannungsfeldern, die als kurze Impulse über entsprechende Sonden abgegeben werden, wird die Zellmembran von Zellen, die in diesem Spannungsfeld liegen porös und durchlässig, wodurch letztendlich die Zelle zerstört wird. Umgebende azelluläre Stromastrukturen werden nicht beeinträchtig sodass z.B. die Strukturen wie Blutgefäße oder Gallenwege in ihrer Grundstruktur erhalten bleiben. Dieses sehr aufwendige und auch teure Verfahren dürfte bei der Ablation von Tumoren, die in komplexen anatomischen Regionen liegen (z.B. Pankreastumore, Tumore im Leberhilus) Vorteile bringen.

Wird die Hochspannungsenergie modifiziert, wandelt sich die irreversible Elektroporation zur reversiblen Elektroporation. Dabei werden Poren in der Zellmembran geschaffen, die sich allerdings nach einiger Zeit wieder verschließen. Über diese Poren wird die Aufnahme von zytostatisch wirksamen Substanzen  um ein Vielfaches im Vergleich zur unversehrten Zellmembran gesteigert, wodurch eine wesentliche Steigerung der onkologischen Wirksamkeit erreicht werden kann. Dieser Effekt wurden bisher am besten für Bleomycin nachgewiesen, die Zellaufnahme konnte um das 1000-fache gesteigert werden.

Die Anwendung sämtlicher erwähnter Verfahren wird durch die Weiterentwicklung der Bilddatenverarbeitung und Navigationstechnik unterstützt. Durch Bildfusionierung kann der Prozess der Tumorablation mittlerweile mit quasi „chirurgischer Genauigkeit“ erfolgen. Es sind exakte Aussagen betreffend des Ablationsausmaßes und des Erreichens eines Sicherheitssaumes möglich. Dadurch ist es mittlerweile auch möglich R-0 Ablationen in Analogie zu chirurgischen R-0 zu erreichen (Abb.5).

Die Sicherheit und exakte Reproduzierbarkeit der oben beschriebenen Verfahren hat dazu geführt, dass die lokoregionäre Tumortherapie nun nicht mehr nur palliativ, sondern auch primär kurativ, bzw. als Erstlinientherapie zum Einsatz kommt.

Der nächste Entwicklungsschritt ist die Kombination diese Techniken mit modernen immunonkologischen Konzepten. Zahlreiche Studien belegen, dass es durch eine lokoregionäre Tumortherapie zur Auslösung einer Immunantwort kommt. Inwieweit dies Immunantwort – die sowohl positive als auch negative onkologische Effekte haben kann, durch die Art der Tumorembolisation/Ablation beeinflusst wird und in welcher Weise eine Kombination mit immunologisch wirksamen Substanzen (z.B. Checkpointinhibitoren) sinnvoll ist, ist Gegenstand aktueller Studien. Es könnte auch Sinn machen eine Immuntherapie durch topische, als z.B. intratumorale Applikation von Immuntherapeutica , sei es perkutan oder transarteriell, durchzuführen (intratumoral Immuntherapie).

Mittlerweile ist die interventionelle Onkologie ein essentieller Bestandteil moderner onkologischer Konzepte. Demzufolge müssen entsprechend versierte Radiologen mit profunder Erfahrung in bildgebungsgestützten onkologischen Verfahren in jedem Tumorboard vertreten sein.

 

Literatur beim Verfasser

 

 

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