von G.Pärtan, M. Gruber, K.A.Hausegger

Einleitung

Schon lange vor dem Boom telekommunikatorischer Anwendungen im Rahmen der Coronavirus-Krise hat der Stand der Technik problemlos die sichere Übertragung großer radiologischer Bilddatenmengen ermöglicht, welche dann ortsunabhängig begutachtet und befundet werden können. Niemand wird die Vorteile dieser Errungenschaft bestreiten, insbesondere dann, wenn dies zu rascheren und fundierteren Therapieentscheidungen führt, wie dies bei der Telekonsultation der Fall ist, wo fachliche Expertise aus Spezialzentren beigezogen werden kann, mit Minimierung nicht unbedingt nötiger, belastender Krankentransporte.

Die Ortsungebundenheit der Betrachtung und Befundung radiologischer Untersuchungen besitzt aber auch Potential für nachteilige Wirkungen:

  1. Die Notwendigkeit persönlicher Anwesenheit radiologischer FachärztInnen vor Ort wird – zumindest aus Sicht der Krankenhauserhalter – reduziert. So werden radiologische Nachtdienste in kleineren, periphereren Krankenanstalten zunehmend undenkbar. Damit entfallen dort allerdings auch Leistungen, welche durch RadiologInnen unmittelbar am Patienten erbracht werden – Ultraschall, Durchleuchtungen und interventionell radiologische Eingriffe.
  2. Die Reduktion radiologischer Ultraschall-Expertise hat entweder die Verlagerung dieser Expertise auf andere Fächer zur Folge, oder aber das Ausweichen auf vermehrte Anwendung von CT-Untersuchungen. Diesen strahlenschutzrelevanten Umstand sieht auch die österreichische Gesetzgeberin so, weshalb nicht umsonst die einzige konkrete gesetzliche Regelung der Teleradiologie in Österreich – abgesehen vom Gesundheits-Telematikgesetz – im §32 der Medizinischen Strahlenschutzverordnung (MedStrschVO) zu finden ist.
  3. Die Radiologie kommt dadurch zunehmend in eine Rolle als patientenferne Laborspezialität, welche hauptsächlich Schnittbilder befundet, was wiederum in der Perzeption von Fachleuten und Laien aller möglichen Richtungen als potentiell durch künstliche Intelligenz ersetzbar gesehen wird. Außerdem rückt dadurch die klinisch-fachliche Expertise der Radiologie in den Hintergrund und wird damit vermutlich weniger oft in Anspruch genommen.  Die Radiologie läuft dadurch Gefahr, dass von Seiten anderer Fächer, aber auch der PatientInnen und der Gesundheitspolitik ihr Mehrwert und dadurch ihre Existenzberechtigung immer weniger gesehen wird.
Teleradiologie-Umfrage

Für die unter Punkt 2. erwähnten gesetzlichen Festlegungen zur Teleradiologie existieren in Österreich weder Daten, noch genauere Procedere zur Überprüfung ihrer Einhaltung. Insbesondere weiß mangels einer Meldepflicht teleradiologischer Anwendungen niemand, wo und wie in Österreich Teleradiologie betrieben wird. Deshalb hat der Verband für Medizinischen Strahlenschutz in Österreich (VMSÖ) gemeinsam mit der ÖRG im April 2020 unter ihren Mitgliedern eine Umfrage zum Stand der Teleradiologie durchgeführt. Die Umfrage (mittels SurveymonkeyTM) wurde per E-Mail an die Mitglieder versendet. Dieser Kreis von AdressatInnen ist wohl nicht geeignet, eine absolute Repräsentativität herzustellen. Eine Ausweitung auf alle mit medizinischer Bildgebung beschäftigten Institutionen in Österreich einerseits sowie eine Einschränkung auf die leitenden Personen dieser Institutionen andererseits hätte aber die Ressourcen der ÖRG und des VMSÖ überstiegen. Die Umfrage wurde ohne Erfassung von Personennamen, aber mit freiwilliger Angabe der jeweiligen Institution der antwortenden Person durchgeführt.

Insgesamt kamen 91 Beantwortungen zustande.

Mehrfachbeantwortungen aus ein und derselben Institution waren nur gering vertreten, was darauf schließen lässt, dass sich (nicht ganz unbeabsichtigt) überwiegend tatsächlich die leitenden Personen durch die Umfrage angesprochen gefühlt haben.

Die Verteilung der antwortenden Institutionen ist breit über das österreichische Bundesgebiet gestreut:
2 Burgenland, 3 Kärnten, 15 NÖ (davon 4 UK St. Pölten), 12 Oberösterreich, 8 Steiermark, 6 Salzburg, 8 Tirol, 1 Vorarlberg, 18 Wien (davon 6 AKH/Med.Uni Wien). Rest keine oder keine geographisch zuordenbare Angabe.

  • Wir haben für die weiteren Fragen und Antworten teleradiologische Anwendungen in drei Kategorien eingeteilt:
    • Versand von Untersuchungen zur Befundung in einer anderen Institution (Teleradiologie im eigentlichen Sinne);
    • Empfang von Untersuchungen aus einer anderen Institution zur Befundung (Teleradiologie passiv);
    • Versand von Untersuchungen zur Befundung an einem Heimarbeitsplatz („Heimbefundung“);
    • Versand von Untersuchungen zur Einholung einer Zweitmeinung an eine andere Institution  („Telekonsultation“);
    • Empfang von Untersuchungen zur Abgabe einer Zweitmeinung an eine andere Institution  (Telekonsultation passiv).

Abbildung 1 zeigt, dass bei den antwortenden KollegInnen die Verbreitung der genannten Anwendungen zwischen knapp 20% und bis 36% liegt.

Die am häufigsten übertragenen Untersuchungsmodalitäten sind – nicht ganz unerwartet – Schnittbilduntersuchungen mit 69% CT, 55% MRT. Danach kommen mit 42% radiographische Untersuchungen, immerhin 14% PET-CT, 9% Durchleuchtung/Angiographie sowie – etwas überraschend – 8% Ultraschalluntersuchungen. Letzteres kommt hauptsächlich durch spezielle Vorgehensweisen bei einem steirischen und bei einem tiroler Krankenhausträger zustande. Vereinzelt werden auch DEXA und nuklearmedizinische Untersuchungen abseits der PET-CT übertragen (Abbildung 2).


Die häufigsten Fragestellungen sind mit 47% onkologischer Natur. Erst dann kommen neurologische (43%), vaskuläre (36%) und traumatologische Notfälle (27%) (Abbildung 3). Dies steht eigentlich im Widerspruch zum § 32 der MedStrschVO. Dieser beschränkt die Teleradiologie auf die Trauma-Grund- und -Schwerpunktversorgung sowie in dislozierten ambulanten Erstversorgungseinrichtungen von Akutkrankenanstalten sowie ansonsten für dringliche Fälle zur Aufrechterhaltung eines Nacht-, Wochenend- und Feiertagsbetriebes.

Auch der Zeitpunkt der Übertragung teleradiologischer Anwendungen mit 55% tagsüber steht möglicherweise in partiellem Widerspruch zu den gesetzlichen Festlegungen (Abbildung 4). In weniger als der Hälfte der Fälle erfolgt die Übertragung im Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst (46% Wochenend- und Feiertagsdienste, 45% Nachtdienste unter der Woche – beachte, das für den Zeitpunkt Mehrfachnennung möglich war).


Die typische Zahl an pro Tag übertragenen Untersuchungen liegt im Bereich zwischen 1-10 (35% der betreffenden Institutionen). Bei 22% der Institutionen liegt diese Zahl bei <1 Untersuchung pro Tag, hingegen übertragen knapp 18% der Institutionen 10-50 Untersuchungen pro Tag. 3 Institute (3,53%) gaben an, mehr als 50 Untersuchungen pro Tag zu übertragen.

Die in der MedStrschVO geforderte eingehende Beratung zwischen der anwendenden Fachkraft mit der überweisenden Person bezüglich anamnestischer Angaben und der Rechtfertigung der Untersuchung wird am häufigsten in der Krankengeschichte, am zweithäufigsten im Befund und in etwa 9% der Fälle gar nicht dokumentiert. 3 Institutionen gaben an, dass diese Beratung gar nicht erfolgt.

Die teleradiologischen Leistungen werden lediglich bei der Hälfte der betreffenden  Institutionen in der Leistungsstatistik ausgewiesen.

Bemerkenswert bei einzelnen Antworten ist, dass radiologische Untersuchungen zur Befundung nicht nur an österreichische Krankenanstalten und Radiologie-Institute versendet werden, sondern auch an Dienstleister in Deutschland, Italien oder der Schweiz. Während in Österreich tätige, aus dem Ausland zugewanderte FachärztInnen einem überaus strengen Approbationsprozess unterliegen, fragt bei der Befundung durch einen ausländischen Dienstleiter offenbar niemand nach einer Approbation in Österreich.

Schlussfolgerung, Epilog:

Wenngleich diese Umfrage keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, zeigt sich, dass die Teleradiologie auch in Österreich breitflächig Einzug gehalten hat.
Dabei deckt sich die Art der Anwendung nicht immer mit den – aus unserer Sicht durchaus maß- und sinnvollen – Festlegungen der Medizinischen Strahlenschutzverordnung.

Um die Einhaltung dieser Vorschriften besser zu gewährleisten, wäre – analog etwa zum deutschen Strahlenschutzgesetz – einerseits eine Form der Bewilligungs-, zumindest aber Meldepflicht teleradiologischer Anwendungen, andererseits konkretere Durchführungsbestimmungen sinnvoll, welche u.a. ein Regionalitätsprinzip und dadurch eine intensivere Kommunikation zwischen der untersuchenden und der befundenden Stelle festlegen. Eine Chance dazu hätte sich bei der am 1.8.2020 in Kraft getretenen Neufassung der MedStrschVO ergeben.
Im Gegensatz dazu liefen – üblicherweise bestens informierten Kreisen zufolge – ganz im Gegenteil Bestrebungen aus Kreisen von Krankenhausbetreibern und der Politik, jegliche Einschränkungen für die Teleradiologie zu beseitigen. Die nunmehr gültige Fassung der Medizinischen Strahlenschutzverordnung hat allerdings den Status quo erhalten und gewährt somit eine Art Denkpause. Wie diese genutzt werden soll, entscheiden nicht zuletzt auch die wissenschaftlichen und fachpolitischen VertreterInnen der österreichischen Ärzteschaft.

Anhang: § 32 der Medizinischen Strahlenschutzverordnung
(1) Die Rechtfertigung gemäß § 3 Abs. 2 der vorgesehenen medizinischen Exposition ist von
der anwendenden Fachkraft nach eingehender Beratung mit der überweisenden Person zu prüfen.
(2) Die überweisende Person muss sich am Ort der konkreten Durchführung der medizinischen
Exposition befinden und die zur Feststellung der Rechtfertigung erforderlichen Angaben ermitteln.
(3) Die konkrete Durchführung der medizinischen Exposition hat durch eine dafür ausgebildete und
zur Durchführung berechtigte Person zu erfolgen.
(4) Die anwendende Fachkraft, die überweisende Person und die Person, die die medizinische
Exposition konkret durchführt, müssen mittels Telekommunikation unmittelbar in Verbindung stehen.
(5) Die klinische Verantwortung für die medizinische Exposition bleibt bei der anwendenden
Fachkraft.
(6) Die elektronische Datenübertragung darf keine Beeinträchtigung der diagnostischen
Aussagekraft der übermittelten Daten und Bilder hervorrufen.
(7) Teleradiologie ist zulässig im Rahmen der Trauma-Grund- und -Schwerpunktversorgung sowie
in dislozierten ambulanten Erstversorgungseinrichtungen von Akutkrankenanstalten. In allen übrigen
Fällen darf Teleradiologie nur zur Aufrechterhaltung eines Nacht-, Wochenend- und Feiertagsbetriebes für dringliche Fälle erfolgen.

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